Außer der Sprache sind das die Regole, die Gesetze der ersten Siedler, die sich dem Gemeinwohl verschrieben hatten: Wälder und Almen bilden die Lebensgrundlage, können daher nie Privatbesitz sein. Nach wie vor gehören gut 80 Prozent der Gemarkung den Ursprungsfamilien. Sie sind es auch, die das völkerkundliche Museum führen. Mehr noch: Weiterhin gelten die Leitziele der Regolieri, der Nachkommen der Ursprungsfamilien, die ein Viertel der Einwohner ausmachen. Im Jahr 1990 haben sie den Parco Naturale delle Dolomiti d’Ampezzo eröffnet, italienweit der einzige Naturpark unter privater Regie.
Trotz dieser traditionellen Bindung blickt Cortina d’Ampezzo auf einen lang währenden Tourismus zurück. Schließlich wurden hier 1956 die Olympischen Winterspiele ausgetragen. In vier Jahren, 2026, finden sie hier zum zweiten Mal statt – als Spiele der Nachhaltigkeit.
Damit entspricht Cortina d’Ampezzo dem heutigen Zeitgeist und dem früheren. Schon die jahrhundertealten Regole schreiben fest, Natur und Lebensbedingungen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Doch durchaus lässt sich dieses hehre Ziel mit den Eingriffen, die Wintersport mit sich bringt, in Cortina vereinbaren. Weltberühmt ist zum Beispiel die Tofana mit dem markanten Felsen, an dem Top-Athleten bei Wettkämpfen mit mindestens 120 km/h oder schneller vorbeischießen. Was aus dem Fernsehen so vertraut wirkt, das fordert von Urlaubern jedoch Konzentration, vermittelt im Gegenzug aber auch den herrlichen Hauch von Olympia.
Einmal so fahren wie Kristian Ghedina, das sportliche Gesicht des Dolomiten-Dorfs. Seine Grätsche ist legendär: Mit dem Spaß-Sprung im Zielschuss der Streif stahl Kristian Ghedina 2004 in Kitzbühel allen anderen die Show – obwohl er nur auf dem 6. Platz landete.
Vorzuweisen hat der 52-Jährige genug. Der stets strahlende Athlet hält den Streckenrekord auf dem Lauberhorn, fuhr 167 Abfahrtsrennen, schaffte es 33 Mal aufs Podest und startete als erster im Weltcup mit Rückenprotektor. Als einer der erfolgreichsten Rennläufer Italiens repräsentiert er die sportliche Seite Cortina d’Ampezzos.
In seiner Skischule M’over hat der 52-jährige Crack Weltklasse-Champions wie Deborah Compagnoni (Alpin Ski), Pietro Piller Cottrer (Cross-Country Ski) und Giacomo Kratter (Snowboard) um sich gesammelt. Er bietet Gästen exklusive Wintersport-Erlebnisse an der Seite prominenter Profis.
Insgesamt gibt es neun Skischulen in Cortina d’Ampezzo. Die älteste ist die Scuola Sci Cortina: Sie wurde 1933 gegründet, als erste in ganz Italien. Als einzige darf sie die olympischen Ringe in ihrem Logo führen. Die hatten die Gründer der Schule kurz nach den Winterspielen 1956 integriert – bevor das Olympische Komitee deren Nutzung untersagte. Die Skischule beschäftigt 140 Skilehrer, davon 40 Frauen. Die erste, die als Instruktorin in die einstige Männer-Domäne eindrang, war Kristian Ghedinas Mutter.
Doch der Name taucht häufiger auf: An der Bergstation auf 2.340 Meter Seehöhe thront das Rifugio Pomedes. Luigi Ghedina schaffte kurz vor den Winterspielen das Baumaterial auf dem Rücken nach oben – es wurde ein Restaurant gebraucht, der Lift war aber noch nicht fertig. Heute bewahren seine Tochter Renata (56) und ihre Kinder das Hütten-Erbe.
Luigi unterdessen lebt als Legende weiter: Er war 1939 nicht nur Gründer der Sciattoli (Eichhörnchen), die weltweit für ihre Künste und Verdienste um den Klettersport berühmt sind. Er hat auch die Ferrata Punta Anna angelegt, einen der bekanntesten Klettersteige der Dolomiten, oberhalb des Rifugio Pomedes. Von 1956 übrig ist auch das alte Zeitmesshäuschen weiter unten an der Olympia delle Tofane – heute ein nobles Restaurant mit stylishem Ambiente.
Doch Cortina bewahrt nicht nur das Altehrwürdige, hier wird auch Neues geschaffen: Seit dem Saisonstart am 27. November ersetzt der Vierer-Sessel Ra Valles zwei alte Lifte und vereinfacht auf 2.743 Metern den Zugang zur höchsten Piste Cortinas.
Markanter noch: Ab Weihnachten 2021 verbindet die neue Zehner-Gondel Son dei Prade – Bai de Dones die stadtnahen WM-Pisten der Tofane mit dem abgelegenen Genießer-Gebiet Cinque Torri-Lagazuoi. Sie reduziert den Verkehr auf der serpentinenreichen Straße zwischen den beiden Wintersportgebieten und ist für Panorama-Enthusiasten ein Gewinn: Auf der 4,5 Kilometer langen Schwebe-Strecke bieten sich beeindruckende Perspektiven auf die umgebenden Bergriesen.
Weiteres Plus: Der Einstieg in den Verbund Dolomiti Superski mit 1.200 Pistenkilometern ist damit direkt von der City aus möglich – sofern die 120 Pistenkilometer der venezianischen Dolomiten-Stadt nicht reichen.
Apropos Cinque Torri: Mit Blick auf die markante Felsformation gibt es als exklusives Erlebnis zum Sonnenuntergang Champagner im heißen, blubbernden Wasser des Whirlpools mitten im Schnee.